Antworten auf Stefan Webers Fragen 

_ Oder: Warum Freie Lizenzen keineswegs das „Google-Copy-Paste-Syndrom“ verstärken – von Leonhard Dobusch

Bereits kurz nach Erscheinen des Bands „Freie Netze. Freies Wissen.“ hat der Autor und Wissenschaftler Stefan Weber es in zwei Artikeln ( 1 bzw. 2) in Telepolis als ein Beispiel für das „Ignorieren des Plagiats- und Contentklau-Problems“ genannt und insbesondere im zweiten Artikel auch konkrete Kritik geäußert und (bislang unbeantwortet gebliebene) Fragen gestellt. In diesem Blog wurde das „Nicht-Behandeln“ der Plagiatsthematik in „Freie Netze. Freies Wissen.“ durchaus eingestanden und Stefan Webers Buch „Das Google-Copy-Paste-Syndrom“ als ergänzende Lektüre empfohlen. Nachdem Stefan Weber seine Kritik in einer unlängst von ihm gemeinsam mit anderen Autoren veröffentlichten Studie („Report on dangers and opportunities posed by large search engines, particularly Google“, PDF) neuerlich (S. 35) vorgebracht und auf die damaligen Telepolis-Artikel verwiesen hat, sei nun doch an dieser Stelle konkret darauf eingegangen.

Zum ersten Teil der Kritik nur eine Klarstellung. Stefan Weber schreibt:

„So wird etwa in der aktuellen Publikation [extern] Freie Netze. Freies Wissen auf S. 43 bedauert, dass „das Einbauen von Textpassagen anderer, wenn es über ein einfaches Zitat hinausgeht“, mit dem aktuellen Urheberrecht kollidiere. An zahllosen Stellen in besagtem Buch wird das Mashup-Prinzip auch in der Textkultur energisch verfochten.“

Dass das Mashup-Prinzip auch auf Texte anwendbar ist und – sofern die AutorInnen der Texte das urheberrechtlich z.B. mittels Creative Commons-Lizenz erlauben – sein soll, ist tatsächlich eine Botschaft verschiedenster Beiträge des Bands. Das von Weber den Autoren nicht ganz zu Unrecht unterstellte „Bedauern“ bezieht sich aber nicht darauf, dass Plagiate verboten sind – das ist richtig und gut so -, sondern – und darum geht es bei freien Lizenzen wie Creative Commons – dass die (Wieder-)Verwendung von Texten auch dann nicht (ohne Nachfrage) möglich ist, wenn deren VerfasserInnen (z.B. bei Nennung ihres Namens) gar nichts dagegen haben würden. Creative Commons Lizenzen ermöglichen nun, mit je nach Lizenztyp unterschiedlichen Beschränkungen, eine Wieder- und Weiterverwendung von Texten, Bildern und Musikstücken ohne diese Nachfrage. Die Nennung des AutorInnennamens aber – die sogenannte „Attribution“ – ist dabei aber Mindestbestandteil jedes Lizenztyps.

Das weiß auch Stefan Weber, er sieht aber dennoch Probleme bei der tatsächlichen Anwendung des Mashup-Prinzips auf Texte, die er wie folgt beschreibt:

„Die Publikation selbst steht unter einer spezifischen Creative-Commons-Lizenz, die die Werkbearbeitung bei Namensnennung der Autoren und bei der Übernahme gleicher Lizenzbedingungen für das neue Werk erlaubt. Nun besteht das Buch zu weiten Teilen aus Interviews. Ist der zu nennende Autor nun der Interviewpartner oder der Interviewer? Letzterer wird in dem Buch durchgängig gar nicht angegeben, die Interviews haben also keinen bekannten „Autor“. Auf wen bezieht sich die Forderung nach „Namensnennung“? Wie verwende ich etwa im Rahmen der Lizenz das Interview mit Lawrence Lessig, das von S. 56 bis S. 59 abgedruckt ist? Und was darf ich bearbeiten? Die Creative-Commons-Lizenz schließt jedenfalls nicht aus, dass ich bei einer Antwort Lawrence Lessigs den folgenden Satz anfüge: „Im Übrigen schmeckt mir oberösterreichisches Bier nicht besonders.“ „

Zuerst zur Frage, auf wen sich die Forderung nach der „Namensnennung“ bezieht: Das ist einfach und steht im Falle von „Freie Netze. Freies Wissen.“ im Impressum: Soweit es um die einzelnen Beträge geht, deren Autoren, für das Gesamtwerk – das natürlich auch die Interviews umfasst – die Herausgeber. Auf sie bezieht sich im konkreten Fall also die Namensnennung.

Hinsichtlich der Frage, wie das Interview mit Lawrence Lessig verwenden, gibt es eine sehr große Anzahl an Möglichkeiten, zum Beispiel dürfte es in einen Blog übernommen werden, in einer SchülerInnenzeitung (wieder-)abgedruckt werden oder in einem Interviewband mit anderen Interviews – alles unter der Bedingung, dass die Quelle genannt und das neue Werk unter der gleichen Lizenz erscheint. Außerdem dürften bei diesem Wiederabdruck einzelne Fragen & Antworten weggelassen werden – solange dadurch Lessig nicht Aussagen untergeschoben werden, die er so nicht getätigt hat, was uns zur dritten Frage führt.

Bei dieser letzten Frage ist zu Webers Verteidigung zu sagen, dass er kein Jurist ist. Denn einem solchen wären zwei Dinge sofort klar: Erstens, dass man niemals mehr Rechte übertragen kann, als man selbst hat. Als Herausgeber eines Interviews haben wir natürlich nicht das Recht, für Lawrence Lessig zu sprechen, in seinem Namen Äußerungen zu verbreiten und deshalb schon gar nicht die Möglichkeit, anderen dieses Recht einzuräumen. Und das führt unmittelbar zum zweiten Punkt: Ein und derselbe Gegenstand fallen häufig gleichzeitig unter verschiedene Regelungsregimes: Ein Foto in einer Zeitung fällt beispielsweise nicht nur unter das Urheberrecht, sondern es kann möglicherweise – falls Menschen gut erkennbar darauf abgebildet sind – auch Persönlichkeitsrechte tangieren. Um bei den Texten zu bleiben aber zu einem noch deutlicheren Beispiel zu kommen: In Österreich gibt es das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung („Verbotsgesetz“) – einen Aufruf zur Neugründung der NSDAP dürfte ich deshalb logischerweise auch dann nicht weiterverbreiten, wenn er unter einer Creative-Commons-Lizenz steht. Und aus demselben Grund darf niemand Lawrence Lessig Aussagen unterschieben, die dieser nicht getätigt hat – unabhängig unter welchen urheberrechtlichen Bestimmungen seine Interviews erscheinen.

Eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Ich glaube es besteht durch freie Lizenzmodelle wie Creative Commons sogar die Chance, dass Menschen für urheberrechtliche Fragen ganz generell sensibilisiert werden, sie das „Google-Copy-Paste-Syndrom“ also nicht verstärken, sondern sogar abmildern helfen. Ein Beispiel ist in der Blogosphäre zu beobachten: Wo früher Menschen einfach irgendwelche Fotos von anderen Seiten „geklaut“ haben, greifen sie nun mehr und mehr auf frei lizenzierte Fotos bei Flickr & Co zurück, die eine nicht-kommerzielle Verwendung in Blogs explizit zulassen.

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